Auf Einladung der Landesvereinigung für kulturelle Kinder- und Jugendbildung (LKJ) e.V. SH, des Jungen Literaturhauses und des im März gegründeten Lesenetzes Schleswig-Holstein trafen sich am 7. Oktober 2023 rund 50 Gäste zum Tag der Leseförderung im Literaturhaus SH in Kiel. Zur Veranstaltung kamen sowohl Fachleute, die sich mit anderen Initiativen austauschen wollten, als auch Menschen, die sich in der Leseförderung ehrenamtlich engagieren. Unter den Teilnehmerinnen waren Lehrerinnen, Bibliothekarinnen, Schulleiterinnen, Ehrenamtliche, Erzieherinnen, Autorinnen, eine Buchhändlerin und eine Kreisfachberaterin.
Die zentrale Frage des Tages lautete: Wie können wir mehr Kinder für das Lesen begeistern? Die im Mai veröffentlichte internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) ergab, dass jedes vierte Kind einer 4. Klasse Schwierigkeiten beim Lesen und Verstehen von Texten hat. Welche Chancen bieten hier außerschulische Leseförder-Initiativen? Welche Konzepte funktionieren? Und was braucht es, damit diese Initiativen noch mehr Kinder erreichen?
Mit der Veranstaltung wollten wir aufzeigen, wie vielfältig Leseförderung sein kann und welche erfolgreichen Initiativen bereits existieren. Dazu haben wir sowohl neue als auch etablierte Vorlese-Initiativen eingeladen, darunter der Friedrich-Bödecker-Kreis in Schleswig-Holstein e.V., der Büchereiverein Dietrichsdorf e.V., MENTOR Leselernhelfer Kreis Plön, das Netzwerk „Lesen – was sonst?!“, die Aktion “Vorlesen in allen Sprachen” von Dussmann und der Stiftung Lesen und das Bücherkoffer-Projekt von Coach@School.
Im Namen des Ministeriums für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur hießen Alexander Kraft und Verena Andel alle Referentinnen und Teilnehmenden herzlich willkommen.
Friedrich-Bödecker-Kreis in Schleswig-Holstein
Autorenlesungen an Schulen
Margrit Ehbrecht engagiert sich seit 2006 ehrenamtlich im Vorstand des Friedrich-Bödecker-Kreises in Schleswig-Holstein e.V., seit 2014 ist sie die 1. Vorsitzende. Seit fast 40 Jahren setzt sich der Verein für Leseförderung und freies Schreiben ein. Die Ehrenamtlichen organisieren Autorenbegegnungen und Workshops an Schulen und in Kitas und probieren neue Formate, wie das Buchprojekt „Fischen im Wörtermeer“, die Büchertürme der Autorin Ursel Scheffler, Lyrik-Reisen und die Autorenpatenschaft der Wörterwelten.
MENTOR-Leselernhelferinnen Kreis Plön
Ein Kind ein Schuljahr beim Lesenlernen begleiten
Gesa Gilbert ist Mutter von drei Kindern und hat das Glück, sie beim Lernen gut unterstützen zu können. Das können aber nicht alle Familien, wie sie selbst in Zeugniskonferenzen erfahren hat. Mit ein bisschen Hilfe beim Lesenlernen könnten viele Kinder versetzt werden, die sonst die Klasse wiederholen müssen. Deshalb hat die Plönerin zusammen mit Elisabeth Krefft-Behrsing die Gruppe MENTOR Leselernhelfer Kreis Plön gegründet. „Über die Förderung der Sprach- und Lesekompetenz wird gleichzeitig auch das Selbstbewusstsein, die Sozialkompetenz, Selbstständigkeit und Kreativität der Kinder gestärkt“, erzählt sie. Alle diese Eigenschaften ermöglichen einen besseren Start in das Schulleben sowie gesellschaftliche Teilhabe.
Büchereiverein Dietrichsdorf e.V.
Rettung und Finanzierung einer Bücherei
Der Büchereiverein Dietrichsdorf e.V. wurde im Jahre 2005 gegründet. Das Ziel war, die Stadtteilbücherei in Dietrichsdorf vor der Schließung durch die Stadt Kiel zu bewahren. Dieses Ziel wurde erreicht – der Verein blieb, die Ziele veränderten sich. Um die Erwachsenen fürs Lesen zu gewinnen, müssen wir mit den Kindern anfangen, erkannten die Engagierten. Mit zahlreichen Veranstaltungen wie Bücherflohmärkten, Lesungen und einem Krimifestival verdient der Verein Geld, damit die Bücherei weiterlebt. Bis heute hat der Verein mit seinen ehrenamtlich organisierten Veranstaltungen rund 80.000 Euro für die Anschaffung neuer Medien für die Bücherei erwirtschaftet. „Wenn eine Bücherei nicht aktuell ist, dann stirbt sie“, machte Vorstandsmitglied Bärbel Lubert in ihrem Impulsvortrag deutlich.
Kieler Kinder- und Jugendbuchkreis
Kinder auf der Kieler Woche zum Schmökern bringen
Regine Dürmeyer ist Sonderpädagogin und engagiert sich seit zehn Jahren im Kinder- und Jugendbuchkreis. Seit über 40 Jahren setzt sich dieser für die Leseförderung ein. Jedes Jahr erstellen die ehrenamtlichen Mitglieder eine Buchempfehlungsliste mit rund 120 Titeln zu einem wechselnden Thema. Alle Bücher der Liste werden während der Kieler Woche und bei Einzelausstellungen präsentiert. Kinder und Jugendliche können so im Trubel der Kieler Woche auf der Krusenkoppel direkt in die Welt der Bücher eintauchen. Das Lesezelt sei „eine Institution auf der Kieler Woche“, bestätigte auch Alexander Kraft.
Lesen – was sonst?!
Kindern Angebote machen – Ideen gibt es genug
„Wenn wir wirklich wollen, das Kinder nicht nur lesen lernen, sondern darin sicher und geübt sind, dann sollten wir, die lesen können, dieses Vergnügen weitergeben, teilen und den Kindern Angebote machen. Ideen gibt es genug,“ appelliert Angelika Rau. Sie hat über 40 Jahre Berufserfahrung als Diplombibliothekarin und eine Zusatzausbildung als Lese- und Literaturpädagogin. Im Jahr 2000 startete sie die erste Aktion im Rahmen von „Lesen – was sonst?!“
Vorlesen in allen Sprachen
Vorlesen in der Muttersprache ermöglichen
Andrea Ludorf ist gelernte Buchhändlerin und studierte Literaturwissenschaft und Geschichte in München. Bei Dussmann verantwortet sie als Geschäftsführerin die Bereiche Vertrieb und Marketing, wozu auch die Aktion “Vorlesen in allen Sprachen” gehört. Bei dieser Initiative produziert Dussmann, das KulturKaufhaus zusammen mit der Stiftung Lesen und den FRÖBEL Kindergärten neun Bilderbücher in acht Sprachen, um das multilinguale Vorlesen in Kindergärten und Familien aktiv zu unterstützen. Die Bücher erscheinen pünktlich zur Frankfurter Buchmesse und können regulär im Buchhandel bestellt werden.
Bücherkoffer von Coach@School
Vorlesen zuhause fördern
Anna Majert war extra aus Hamburg angereist, um das Bücherkoffer-Projekt von Coach@School vorzustellen. Zwei knallblaue Bücherkoffer begleiten eine erste oder zweite Klasse über die Dauer eines Schuljahres und rollen abwechselnd jeweils für eine Woche mit einem Kind nach Hause. Die Koffer sind gefüllt mit jeweils zwölf Kinderbüchern in bis zu 50 Sprachen. Zuhause motiviert der Bücherkoffer zum gemeinsamen Erzählen und (Vor-)Lesen in der Familiensprache und bindet Eltern aktiv ein. Im Schuljahr 2023/24 starten die ersten Schulen in Schleswig-Holstein im Programm. Am Tag der Leseförderung gab es noch ein paar letzte freie Plätze.
Beeindruckend viel ehrenamtliches Engagement
Mit dem „Tag der Leseförderung“ boten wir den unterschiedlichen Initiativen im Land ein Forum, um sich zu präsentieren und auszutauschen. Das Ziel des Lesenetzes SH ist es, Räume zu eröffnen, in denen sich Menschen, die in der Leseförderung aktiv sind, inspirieren, unterstützen und voneinander lernen können. Ich denke, das ist uns mit diesem Tag der Leseförderung im Literaturhaus gelungen. Beeindruckend waren die vielen verschiedenen Ideen und das große ehrenamtliche Engagement, das hinter so vielen erfolgreichen Projekten steckt. In allen Vorträgen war die Lust am Lesen, die Freude an Poesie und Poetik und der Wunsch zu spüren, allen Kindern alle Chancen zu ermöglichen.
Wunsch nach Unterstützung des Ehrenamts
Es herrschte eine inspirierende und angeregte Stimmung im Literaturhaus. Nach den Impulsvorträgen ergaben sich viele spontane Gespräche. Tische standen bereit, an denen die Teilnehmer mit den Referentinnen ins Gespräch kommen konnten. Einige Gäste konnten von eigenen spannenden Initiativen berichten. Ganz frisch starten die Kolleginnen vom Lesenetz Hamburg / Seiteneinsteiger e.V. gerade das E-Learning-Angebot von Buchstart 4½. Eine auch für Schleswig-Holsteiner kostenfreie Online-Qualifizierung, die pädagogischen Fachkräften aus Kitas und Vorschulen Wissen und Methoden vermittelt, um Kinder auf ihrem Weg vom Vorlese- zum Lesekind mit Freude und Fachkompetenz zu begleiten.
Neben der vielen positiven Energie und Leidenschaft, die spürbar war, wurde auch deutlich, dass sich das Ehrenamt an vielen Stellen Unterstützung von hauptamtlicher Seite wünscht. Eine Entlastung in der Verwaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit hätte zur Folge, dass sich die Ehrenamtlichen stärker auf die eigentliche Leseförderung konzentrieren könnten. Eine landesweite Netzwerkstelle Leseförderung könnte verschiedene Initiativen beraten und entlasten. Damit könnten mehr Ehrenamtliche gewonnen und so mehr Kinder mit Leseförderangeboten erreicht werden. Eine Idee, die wir gern weiterverfolgen werden, denn auch wir engagieren uns größtenteils ehrenamtlich für das Lesenetz Schleswig-Holstein.
Bis es so weit ist, informieren und vernetzen wir euch über unseren Instagram-Account @Lesnetz_SH. Auf der Website des Lesenetzes finden sich die Leseinitiativen & Vereine, die sich im Lesenetz SH austauschen. Neue Mitglieder sind herzlich willkommen!
Der Tag der Leseförderung in Bildern
Fotos: Charlotte Reimann