Julia Reuter (26) arbeitet als Lektorin im Erzählenden Kinder- und Jugendbuch-Programm des Carlsen Verlags und kümmert sich dort um ein neues digitales Baby: die eSoap. Im vergangenen Herbst erschien die erste digitale, als „Multimedia-Roman“ angekündigte Staffel, die speziell für die Handys jugendlicher Leser entwickelt wurde. Über das neue Projekt habe ich mit der Kinderbuchlektorin gesprochen.
Warum fehlt bei der neuen digitalen Buchstaffel ausgerechnet das Multimedia-Element?
Unsere erste eSoap So verliebt, so verwirrt, so schön hat ein sehr positives Presseecho in der Buchbranche bekommen, da es ein derartiges Jugendbuchprojekt auf dem deutschen Markt bisher noch nicht gegeben hatte. Leider hat sich das aber nicht in den Verkaufszahlen widergespiegelt. Das Hauptproblem, warum wir nicht genügend Leserinnen und Leser dafür gewinnen konnten, lag sicherlich im Format – als enhanced ePub konnten wir die Episoden aus technischen Gründen nur über eine begrenzte Anzahl an Plattformen vertreiben, die ihrerseits an bestimmte Endgeräte gekoppelt sind. Das schränkte den Kreis der Leser natürlich von vornherein ein.
Hat das Konzept des Handy-Romans, der in Japan ja sehr erfolgreich ist, in Deutschland nicht funktioniert?
Von dem Konzept eines digitalen Episodenromans sind wir nach wie vor überzeugt. Um für zukünftige Projekte dieser Art mehr Leser zu erreichen, haben wir uns deshalb dazu entschieden, die neue eSoap im ePub-Format zu produzieren und zunächst auf das Filmmaterial zu verzichten, um es auf möglichst vielen Plattformen und Endgeräten anbieten zu können. Ganz auf Extras müssen die Leserinnen und Leser allerdings nicht verzichten: Jeder Episode sind einige Polaroids zur Einstimmung auf den Schauplatz vorangestellt: Sommer, Strand und jede Menge Croissants. Die neue eSoap knüpft inhaltlich übrigens nicht an die erste an; hier geht es um eine ganz andere Geschichte mit anderen Charakteren und auch die Autorin, eine erfahrene Soap-Drehbuchschreiberin, ist neu: Susanne Fülscher.
Unterscheidet sich deine Arbeit bei einem digitalen Buchprojekt von „klassischer“ Lektoratsarbeit?
Bei einem digitalen Projekt arbeitet der Lektor eher wie ein Projektmanager. Ich stand in intensivem Austausch mit den anderen Verlagsabteilungen und bin immer wieder mit technischen Fragen an unsere „digitalen Spezialisten“ herangetreten. Die eigentliche Lektoratsarbeit hat sich nicht sehr von der Arbeit an traditionellen Buchprojekten unterschieden – allerdings ging alles sehr viel schneller als sonst. Normalerweise gebe ich ein Manuskript ein halbes Jahr vor dem Erscheinungstermin an die Herstellung, die das Manuskript für die Setzerei und später für die Druckerei vorbereitet. In diesem Fall habe ich das Manuskript selbst formatiert, da wir ja keine Druckvorlagen brauchten. Gerade wird es von einem E-Book-Hersteller produziert – und ruckzuck werde ich dann per Mail die fertigen Episoden bekommen!
Was waren die Herausforderungen bei diesem Projekt?
Ganz am Anfang sind bei mir eine Menge Fragen aufgetaucht, weil dieses Projekt nicht den typischen Verlagszyklus durchläuft. Für vieles gab es noch keine vorgefertigten Abläufe und Muster. Aber ich habe unheimlich viel dazugelernt und es hat mir großen Spaß gemacht, das Projekt zu betreuen.
Mit Impress hat Carlsen ein neues Label für digitales Lesefutter speziell für Jugendliche und junge Erwachsene ins Leben gerufen. Wird es auch dort digitale Soaps geben?
Das stimmt, unser neues Label Impress ist gerade mit zehn Titeln gestartet. Doch Impress konzentriert sich ausschließlich auf Fantasy. Wir sprechen damit die Fans der Biss-Reihe an, die einfach nicht genug von „Romantasy“ bekommen können. Die neue eSoap Sommer und Meer, verrückt nach dir könnte dieser Zielgruppe aber auch gefallen. Bislang gibt es noch keine konkreten Pläne, eine dritte eSoap zu entwickeln, wir wollen erst einmal den Markt beobachten – denn die technischen Möglichkeiten ändern sich ja momentan alle paar Wochen!
Glaubst du, dass Jugendliche wirklich auf Handys lesen wollen?
Ja, ich glaube wirklich, dass Jugendliche überhaupt kein Problem damit haben, auf ihren Smartphones ganze Bücher zu lesen. Von meinen eigenen Eltern kenne ich auch den Kommentar „Wie kannst du das denn lesen, das ist ja viel zu klein und du musst doch viel zu oft scrollen!“ Mich stört das aber gar nicht, ich finde es toll, dass ich auf meinem Handy lesen kann und ich nicht verschiedene Geräte mit mir rumtragen muss.
Welche Soaps magst du selbst?
Ehrlich gesagt habe ich selbst nie Soaps geguckt, aber ich bin süchtig nach diversen amerikanischen Fernsehserien!
Was lesen wir in zehn Jahren?
Hm, ich kann mir wirklich vorstellen, dass man zu Fortsetzungsromanen zurückgehen wird. Bei digitalen Veröffentlichungen ist man ja viel flexibler und kann schneller reagieren. Zum Beispiel könnte man neue Serien anfangen und nur bei Interesse der Leser weiterführen. Und es gibt ja jetzt schon digitale Reihen, bei denen die Leser nach jedem Kapitel entscheiden können, wie es weitergeht. Diesen Kontakt mit Autoren und Autorinnen hätte ich mir als Jugendliche auch gewünscht, ich bin z.B. auch ganz fasziniert von den Leserunden auf Lovelybooks, so etwas finde ich einfach klasse!
Vielen Dank für deine Zeit!
Wer jetzt neugierig geworden ist und in die eSoap reinlesen möchte, muss sich noch bis zum 18. September gedulden, dann erscheint die erste – kostenlose – Epidode.
Sommer und Meer, verrückt nach dir, von Susanne Fülscher
Erscheinungsrhythmus: die ersten beiden Episoden erscheinen am 18. September, sieben weitere folgen im Wochenrhythmus
Umfang: ca. 20 Seiten pro Episode
Preis: € 0,99 pro Episode
Format: ePub, auf allen Endgeräten lesbar
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