Wie man Bildungsangebote für nachhaltige Entwicklung (BNE) für Jugendliche erfolgreich startet.
Die Deutsche Vernetzungsstelle Ländliche Räume hatte am 29. Oktober zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Verein BildungsCent zu einem bundesweiten Online-Workshop Jugend bewegt UNSER ESSEN und KLIMASCHUTZ eingeladen. Die Frage, wie eine nachhaltige Ernährung aussehen kann, beschäftigt mich bei meinem Vernetzungsprojekt „Kochen für Kinder„. Daher war ich sehr gespannt, was mich bei dem Workshop erwarten würde.
Bei der Veranstaltung wurde diskutiert, wie man junge Menschen vor Ort mit dem Thema Ernährung und Klimaschutz erreichen kann. In kleineren Breakout-Sessions wurden eigene Erfahrungen in der Jugendarbeit ausgetauscht und in einem Miro-Board kollaborativ zusammengetragen. Dazu gab es fundierte Praxisbeispiele aus dem Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung von der Organisation BildungsCent e.V., der NAJU Brandenburg und der Jungen Biosphäre Saarland.
Der Workshop war Teil der Veranstaltungsreihe Jugend bewegt, die sich damit beschäftigt, was Jugendliche interessiert und auf welche Weise sie an aktuellen Entwicklungen gleichberechtigt teilhaben können. Junge Menschen in die Prozesse der Regionalentwicklung einzubinden, ist oft schwer. Gleichzeitig zeigt sich, dass es wichtig ist, diese Zielgruppe zu beteiligen. Junge Menschen bleiben oder kommen wieder, wenn sie sich mit ihrer Heimat verbunden fühlen.
BildungsCent e.V.
Die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen
Die gemeinnützige Organisation BildungsCent e. V. setzt sich für die Förderung einer neuen und nachhaltigen Lehr- und Lernkultur in Schulen und Bildungseinrichtungen ein. Christina Schulze, Mitarbeiterin bei BildungsCent e.V. , stellte im Online-Workshop die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen vor. Die nachhaltige Transformation der Gesellschaft schließt auch das Thema Ernährung mit ein.
„Wir müssen unser Denken und Handeln verändern und uns klar darüber werden, wie wir alle voneinander abhängen und wie wir mit den Ökosystemen umgehen, die unsere Lebensgrundlage sind. Um eine gerechtere, friedlichere und nachhaltigere Welt zu erschaffen, brauchen wir alle mehr Wissen, Kompetenzen und verbindende Werte sowie ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit einer solchen Veränderung. An dieser Stelle spielt Bildung eine entscheidende Rolle. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNW) ist der Weg zu einer besseren Zukunft für alle. – und dieser Weg beginnt hier und jetzt.“
UNESCO Roadmap zur Umsetzung des Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (2014), zitiert von Bildungscent e.V. im Online-Workshop.
Zukunftskompetenzen entwickeln
Silke Ramelow, Vorstandsvorsitzende von BildungsCent e.V., verweist auf den nationalen Aktionsplan Bildung für nachhaltige Entwicklung, der 2017 von der Bundesregierung abgesegnet wurde. Dieser sieht vor, dass bis 2030 bei Nachhaltigkeitsthemen eine Jugendbeteiligung sichergestellt werden muss. Die UNESCO definiert als Ziel der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE): gemeinsam eine gerechtere und nachhaltigere Welt schaffen.
Silke Ramelow spricht statt von „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ lieber von „transformativer Bildung“. Gemeint ist damit lebenslanges Lernen, nonformales Lernen und gemeinschaftliches Handeln. Entscheidend sei die Entwicklung der „21st century skills“, der sogenannten vier Zukunftskompetenzen („4cs“), die da sind:
- Kritisches Denken
- Kollaboration
- Kommunikation
- Kreativität
Welche Bildungsangebote fördern diese Kompetenzen?
Die Organisation BildungsCent hat verschiedene Formate ausprobiert, wie das Thema Nachhaltigkeit umgesetzt werden kann. Beispielsweise:
- Klimadinner: Klimafreundliches gemeinsam Kochen und Essen
- Klima-Screening: Filmabend (z.B. mit dem Film „Tomorrow„) mit anschließender Diskussion
Außerdem entwickelte der Verein im Rahmen seines Programms foodture das Bildungsmaterial „Unser Essen und das Klima“. Das Kartenset rund um das Thema nachhaltige Ernährung kann kostenfrei als gedruckte Version bestellt oder online heruntergeladen werden. Die Karten enthalten Wissenswertes rund um das Thema Ernährung und Klimawandel sowie Ideen und Tipps für eigene Projekte. Das kann das Erstellen eines eigenen KlimaKochbuchs sein oder – etwas gewöhnungsbedürftiger – das Experiment, Kekse mit Insekten(mehl) zu backen.
Silke Ramelow kommt am Ende auch auf Förderprogramme für BNE zu sprechen. Aktuell gebe es einige Auszeichnungen, aber kaum Fördermittel. Teilnehmer:innen des Workshops verweisen dann noch auf die Stiftung Engagement Global und die Bingo-Umweltstiftung, die Umweltbildungsprojekte unterstützt.
NAJU Brandenburg
Jugendliche wollen keinen Input, sondern selbst handeln
Anne Kienappel von der NAJU Brandenburg berichtet von ihren Erfahrungen mit Bildungsangeboten zum Thema nachhaltige Entwicklung für Jugendliche. Die NAJU bietet für junge Menschen zwischen 14 und 27 zahlreiche Möglichkeiten, sich für Natur und Umwelt zu engagieren. Sie unterstützt mit Materialien und Beratung, Jugendliche und junge Erwachsene dabei, eigene Aktionsideen zu verwirklichen.
Entwickelt wurden Aktionen und Projekte wie „Wilder Spreewald“, „Wilde Kräuter“ oder „24h Unverpackt“. Wichtigste Erkenntnis dabei: Die Jugendlichen wollen keinen Input, sie möchten selbst handeln. Vielleicht kann ganz am Ende des Projekts noch mal gemeinsam reflektiert werden. Für die Konzeption ihrer Angebote überlegt sich Anne Kienappel ganz genau, was so attraktiv ist, dass die Jugendlichen freiwillig kommen. Persönliche Kontakte über Sozialarbeiter oder die NAJU helfen ihr, immer wieder neue Teilnehmer:innen zu finden.
Junge Biosphäre Saarland
Jugendliche sollen selbst Ideen entwickeln
Auch Carmen John betreut Bildungsprojekte im außerschulischen Bereich. Als Projektleiterin bei der Jungen Biosphäre Saarland, unterstützt sie Jugendliche bei der Planung und Umsetzung ihrer Projekte. Seit 2020 ist die Junge Biosphäre in der Trägerschaft des Saarpfalz-Kreises im Bereich Jugendarbeit angesiedelt. Projektziel ist die Einbindung junger Menschen zwischen 15 und 21 Jahren in die Entwicklungsprozesse der Biosphärenregion. Die Jugendlichen sind eingeladen, die Biosphäre Bliesgau mitzugestalten und eigene Projekte rund um das Thema Nachhaltigkeit zu entwickeln und umzusetzen.
Ganz wichtig ist Carmen John die Partizipation der Jugendlichen. Für ihre Jahresplanung hat sie die Jugendlichen zu einem Workshop eingeladen, um gemeinsam zu erarbeiten, welche Veranstaltungen durchgeführt werden sollen. Idealerweise entwickeln die Jugendlichen selbst Projektideen, die Projektleitung hilft nur bei der Organisation und der Finanzierung. Dabei sind Projekte entstanden, wie die Aktion „Restekochen“ in Kooperation mit einem Unverpackt-Laden.
Jugendliche in ihrer Lebenswelt abholen
Die Herausforderung, neue Teilnehmer:innen zu akquirieren, kennt Carmen John auch. Hinzu kommt die extreme Unverbindlichkeit der jungen Menschen. Zu- oder Absagen bis einen Tag vor Veranstaltungsbeginn seien die Regel. Aber auch fünf Leute sind okay, findet Carmen John. „Wir brauchen nicht 30 Leute, die dasitzen und Zahlen generieren“.
Sie hat auch die Erfahrung gemacht, dass sich junge Leute extrem mit dem Thema Ernährung beschäftigten. „Die freuen sich, hinter die Kulissen zu schauen.“ Das Einkaufsverhalten werde reflektiert und die neuen Produkte dann auch in die Familien getragen. Ihr Erfolgsrezept, um ihre Bildungsarbeit bekannter zu machen, war die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesjugendring. Carmen John hat alle Jugendclubs persönlich abgeklappert, um die Jugendlichen „in ihrer Lebenswelt abzuholen“.
Fazit
Bildungsprojekte mit Kindern und Jugendlichen sind dann erfolgreich, wenn die Teilnehmer:innen selbst aktiv werden und gemeinsam handeln können. Ein Erfolgsbeispiel ist etwa die Bundesgemeinschaft Lernort Bauernhof. Silke Ramelow fasst am Ende des Workshops die Ergebnisse noch einmal zusammen:
- Vom Handeln ins Lernen kommen. Dinge tun und dabei lernen.
- Jeder, der kommt, ist super.
- Einfache Sachen sind oft die besten. Wir müssen nicht immer die Welt neu erfinden.
Vor allem aber: Jugendliche wollen ernst genommen werden. Die Projekte müssen einen direkten Nutzen für sie haben. Und wir müssen ihnen das Gefühl geben, dass wir ihre Ideen wertschätzen.
Titelbild: Elaine Casap
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