Anlässlich der Leipziger Buchmesse gab es eine wahre Flut an Ankündigungen zu neuen Projekten und Neugründungen in der Buchbranche, die teilweise Grenzen sprengen: Dienstleister bieten Autorenseminare an, Agenten machen Marketing, Amazon wird Verlag und Verlegen wird zur Software. Ein kreatives Durcheinander und bei allem steht der Autor im Zentrum. Verlage, Dienstleister, Plattformen und neue Imprints werben gleichermaßen um ihn. Self-Publishing ist das neue Zauberwort und Geschäftsmodell.
Bauarbeiter oder ZEIT-Journalist? – egal!
Neue Autoren schicken ihre Manuskripte heute nicht mehr an Verlage, wo sie im Stapel unverlangt eingesandter Manuskripte landen. Sie veröffentlichen ihr Buch einfach selbst. Dazu können sie aus einer großen Zahl Dienstleister auswählen, wie BoD oder Amazon. Seit Mitte März ist hierzulande außerdem Barnes & Nobles Dienstleister NOOK Press aktiv. Den Konkurrenzdruck spürt auch der Selfpublishing-Dienstleister ePubli, ein alter Hase im Self-Publishing, der seit der Gründung 2008 knapp 90.000 Bücher vertrieben hat. Im Frühjahr 2014 wurde die Webseite gerelauncht und auch in Sachen Autorenbetreuung versucht man, einen guten Service zu bieten und wirbt mit dem Slogan „The easiest way to publish“. Hier kann und soll jeder verlegen: So verkauft sich derzeit eine Satire über Bauarbeiter, geschrieben von einem Bauarbeiter (Stefan Groß, „Der Bauarbeiter„) genauso erfolgreich wie ein eBook zur aktuellen Situation in der Ukraine, verfasst von einem ZEIT-Journalisten (Steffen Dobbert, „Euromaidan„).
Dienstleister – Schnell und günstig
Schneller und kreativer als Verlage sein und bessere Margen anbieten, möchte ePubli Geschäftsführer Jörg Dörnemann . Als Verleger fühlt er sich jedoch nicht. 14,95 Euro kostet der Vertrieb eines eBooks bei der Holtzbrinck-Digital-Tochter. Dafür bekommt der Titel eine ISBN, landet in allen digitalen Shops und der Autor darf bis zu 80% der Nettoverkaufserlöse behalten. Bei einem klassischen Verlag sind es in der Regel nur 20-25%. Dafür bezahlt der Verlag seinem Autor bei Manuskriptabgabe jedoch einen Vorschuss auf die Verkaufserlöse und lektoriert, druckt und vertreibt das Buch auf eigenes Risiko. Weil es diesen Verlagsservice bei ePubli nicht gibt, hat man eine Plattform mit externen „Buchprofis“ eingerichtet, auf der Autoren Lektorat und Korrektorat einkaufen können. Außerdem gibt der Dienstleister auf seinem Blog Tipps zur Vermarktung des eigenen Buches. Wem das nicht genügt, der kann einen Autoren-Workshop im ePubli-Lab buchen. Dort werden Marketingaktivitäten wie der eigene Social Media Auftritt, die Auffindbarkeit des eigenen Buches im Netz oder Online-Rezensionen besprochen.
Agenturen – Gezieltes Autorenmarketing
An die Grenzen der Eigenvermarktung stoßen Self-Publisher jedoch spätestens, wenn klassische Printmedien ins Spiel kommen. Im Gegensatz zu einer Facebook-Seite kann man über Jahre gewachsene Kontakte zur Presse nicht nebenbei aufsetzen. Hier werden in den kommenden Jahren sicherlich zahlreiche Agenturen entstehen, die auf die Vermarktung von Autoren spezialisiert sind und die Lücke zwischen klassischem Verlag und Vertriebsdienstleister schließen. Ein Vorbote hierfür ist bereits der von einem Literaturagenten und einem Berater neugegründete Verlag Eder & Bach, der mit gezieltem und hohem Marketingeinsatz einzelne Titel an die Spitze der Bestsellerliste bringen will. Ihr Schlüssel zum Erfolg, so die Gründer, sei die „maßgeschneiderte Betreuung aus einer Hand“ und ein Team aus Experten für Presse, Digitalvertrieb und Hörbuch. Man darf gespannt sein, ob das Konzept, Bestseller durch Marketingbudget zu generieren, aufgeht.
Amazon Publishing – Zurück zum Verlag
Auch der in Deutschland im Frühjahr 2014 neu startende Amazon Verlag rückt vor allem die Bedürfnisse des Autors in den Mittelpunkt. Trotz Erfolg des Kindle Direct Publishing will der Konzern mit Amazon Publishing Autoren wieder den kompletten Verlagsservice bieten. „Amazon erledigt das Lektorat, die Buchgestaltung und die redaktionelle Bearbeitung und bietet zudem umfangreiche Marketingunterstützung an“, erklärt Sarah Jane Gunter, verantwortlich für das internationale Amazon Publishing Programm im Interview mit dem Buchreport.
Oetinger34 – Verlegen als Software
Eines der mutigsten für das Frühjahr 2014 angekündigten Projekte ist aus meiner Sicht Oetinger34. Der Kinderbuchverlag hat einen sogenannten „Weißraum“ entwickelt, einen Editor im Browser, in dem Autoren, Illustratoren und Lektoren zusammen an neuen Projekten arbeiten können. Das Verlagsprojekt ist natürlich nicht das erste und sicherlich nicht das letzte seiner Art, das bereits im Entstehungsprozess der Bücher den Kontakt zu Autoren und Lesern sucht. Zuletzt verkündete Egmont den Start von Lyx Storyboard für Frühjahr 2014. Dort will man die Leser-Community frühzeitig in die Entstehung von Manuskripten mit einbeziehen und über die Vergabe von Verlagsverträgen abstimmen lassen: Verlegen als Community-Entscheidung sozusagen.
Oetinger34 setzt ebenfalls auf das Voting von Lesern, um Projekte vorzusortieren, stellt ihnen jedoch zusätzlich sogenannte Junior-Lektoren an die Seite. Diese übernehmen gewissermaßen die Arbeit der Verlagspraktikanten im Digitalen, nämlich den Stapel unverlangt eingesandter Manuskripte durchzusehen – entsprechend gering ist die Entlohnung. In Abgrenzung zum Self-Publishing guckt der Verlag von Astrid Lindgren allerdings auf inhaltliche Qualität und lässt nur kreative Talente zum Austoben und Brainstorming in den Weißraum.
OETINGER34 – Macht Geschichten! from Oetinger34 | www.oetinger34.de on Vimeo.
Die Idee einer Plattform zur gemeinsamen Ideenentwicklung trieb auch meine Prototype-Gruppe im vergangenen Jahr um. Mit Fly up entwickelten wir eine spielerische Möglichkeit zur Ideenfindung im Team: eine Ideenrakete, die nur gemeinsam startklar gemacht werden kann. Wir verlegten uns allerdings auf eine Inhouse-Lösung, da wir annahmen, dass Projektideen aus Angst vor Nachahmung nicht offen im Netz geteilt werden würden. Oetingers „Weißraum“ löst dieses Problem, und zwar – und das ist das Besondere – als White-Label-Lösung für jeden aus der Branche, der die Software lizenzieren möchte. Damit ist der Weg frei für die Verlage der Zukunft.
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