Momentan kann man ein Phänomen in der Verlagswelt beobachten: Allerorts werden neue eBook-Verlage gegründet als Reaktion auf die zunehmende Verbreitung von digitalen Lesegeräten, veränderte Lesegewohnheiten und die kostengünstigere Verlagsarbeit im Digitalen. Im Sommer 2012 war dotbooks als einer der ersten eBook-Verlage noch die Ausnahme. Heute gibt es viele Idealisten in der Buchbranche, die literarisch Wertvolles, längst Vergriffenes oder kurze Texte fürs Smartphone verlegen möchten und dafür kurzerhand einen Verlag gründen. Anders als Start-ups im Tech-Bereich interessieren sich die jungen eBook-Verleger vor allem für Inhalte, weniger für neue Geschäftsmodelle.
Kann man denn vom Verlegen von eBooks leben? Noch schreibt dotbooks keine schwarzen Zahlen. Genaueres möchte der Verlag jedoch nicht verraten. Schnell muss man sein, erzählt die Verlagsgründerin Beate Kuckertz, „wissen, dass man an die Leser und nicht an die Buch- bzw. Zwischenhändler verkauft, man muss gute Produkte bieten und man muss preissensibel sein.“ Ohne DRM und für wenig Geld wollen auch Nikola Richter (mikrotext), Zoë Beck (CULTurBOOKS) und Jasper Nicolaisen (Das Beben) elektrische Bücher verlegen. mikrotext startete im März mit den ersten eBooks, Das Beben Anfang und CULTurBOOKS Ende September 2013. Ich habe sie gefragt, warum gerade jetzt – und ob man vom digitalen Verlegen leben kann.
Warum habt ihr dieses Jahr einen Verlag gegründet?
Nikola Richter: Ich lese seit einigen Jahren gerne eBooks am Smartphone, aber mir fehlte das deutschsprachige, kürzere, anspruchsvollere Programm. Also dachte ich, dann biete ich das selbst an. Zudem interessiert mich auch, die Netz-Texte, die es schon gibt, verlegerisch aufzubereiten und anderen Lesern zugänglich zu machen.
Zoë Beck: Die Idee, CULTurBOOKS zu gründen, kommt aus dem Wunsch, richtig gute Texte verfügbar zu machen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht (mehr) aufgelegt werden. Kurztexte zum Beispiel haben es im klassischen Printverlag sehr schwer. Experimentelle oder nicht genrekonforme Geschichten ebenso. Da wollen wir Sichtbarkeit und Verfügbarkeit von Texten schaffen, die wir toll finden, und ihnen eine Chance auf dem Markt geben. Wir setzen entschieden auf Originale von (auch internationalen) Autoren, die gerne mit uns zusammenarbeiten wollen und sich mehr kreative Synergien von unserer Programmkompetenz versprechen, als ihnen das Standard-Publishing bieten kann. Wir haben als weiteres Programmsegment noch vergriffene Texte, die (noch) nicht als eBook erhältlich sind und die wir wieder verfügbar machen. Außerdem Kooperationen mit ausgewählten Verlagen, die selbst keine eBooks produzieren oder um deren eBook-Lizenzen wir uns kümmern.
Jasper Nicolaisen: Über die Jahre wurde unsere Unzufriedenheit mit den Möglichkeiten für Autorinnen und Autoren immer größer. Große Publikumsverlage setzen in diesen unsicheren Zeiten immer mehr auf Bücher, die so sind wie Bücher, die schon mal erfolgreich waren. Wir wollten uns für Bücher einsetzen, die wir gut finden, für Texte, die es unserer Meinung nach verdient haben und die gerade nicht sind wie alle anderen auch. Und wir wollten Autoren und Autorinnen nicht nur als Vertragspartner sehen, die uns einen Programmplatz füllen, sondern als geschätzte Künstler. Nicht zuletzt sollten sie auch finanziell fair behandelt werden und weitgehende Rechte an ihrer Kunst behalten. Noch einen dritten Grund gab es: Wir hatten die Nase ein bisschen voll von Wälzern, Schinken und endlosen Reihen – die entspringen ja auch oft dem Sicherheitsdenken. Uns gefielen knappe, konzentrierte Geschichten besser, die sagen, was sie zu sagen haben, und dann aufhören, wenn es richtig ist.
Glaubt ihr, dass ein eBook-Verlag abseits des Mainstreams wirtschaftlich erfolgreich sein kann?
Nikola Richter: Ich denke schon, dass man schwarze Zahlen schreiben kann – wir stehen ja noch am Anfang. Man kann ja auch mit einem literarischen Verlag (noch) wirtschaftlich erfolgreich sein; hierfür braucht man u.a. eine umfangreiche Backlist. Ich glaube fest daran, dass es auch Literaturleser für digitale Texte gibt. Dass nicht nur Genre funktioniert. Und im Netz gibt es noch viele andere, neue Einkommensmöglichkeiten von Crowdfunding bis Abo-Möglichkeit. Das müssen wir alles noch ausprobieren. Mein Bestseller ist Aboud Saeed „Der klügste Mensch im Facebook„, ich verkaufe das E-Book im dreistelligen Bereich. Das muss aber vierstellig werden. Also: Es ist großartig, humorvoll, menschlich, bewegend, poetisch. Der Autor, der bisher nur auf Facebook veröffentlicht hat, kommt jetzt sogar im Herbst nach Deutschland und liest auf seiner Tour in München, Berlin und Hamburg. Sogar im Auswärtigen Amt ist man bereits Fan von Aboud Saeed und mikrotext, kein Witz!
Zoë Beck: Aber unbedingt! Wo, wenn nicht abseits des Mainstreams? Unsere Bücher sind ja kein dröger, unzugänglicher Quark, sondern sinnlich, packend, hervorragend geschrieben und damit potentiell interessant für jeden, der bereit ist, über die doch meistens Formula Fiction der Trend- und Bestsellerlisten hinauszuschauen. Was „Mainstream“ wird, ist letztlich ja auch nur Glückssache, und der Rest ist ein Aufguss, ein Hinterherhecheln. Wir hecheln nicht so gerne. Mainstream ist überhaupt ein seltsames Konstrukt, das uns nicht interessiert. Von uns aus geschaut, sind WIR der Mainstream. Außerdem eröffnet das eBook ja auch interessante Lizenzoptionen. Man kann z.B. von eBook zu Print denken.
Jasper Nicolaisen: Ja. Ganz sicher. Unsere Idee ist gut, unsere Bücher sind gut, unser Auftritt und unsere Gestaltung sind gut. Wir sind fast noch jung und sehen gut aus. Vor allem aber können die Leserinnen und Leser bei uns etwas kaufen, was es nicht überall gibt: Geschichten, die wirklich bewegen, weil jemand sie einfach schreiben musste. Und jemand anders – wir – geholfen hat, dass alles, was gesagt sein musste, am Ende auch da stand. Dafür werden die Leute Geld bezahlen.
Wie und wo verkauft ihr eure Bücher?
Zoë Beck: Die werden überall verfügbar sein, wo eBooks gemeinhin verfügbar sind, auch international, was in unserem Fall deshalb besonders wichtig ist, da wir in mehreren Sprachen publizieren werden. Unbedingt wollen wir aber die Zusammenarbeit mit unabhängigen Buchhandlungen, die eigene eBook-Shops einrichten, fördern. Auch (signierbare) eBook-Karten für den Verkauf auf Lesungen sind geplant.
Jasper Nicolaisen: Wir vertreiben unsere Bücher zunächst mal über alle größeren Plattformen im Internet. Dann kann man sie – ohne, dass man sich irgendwie anmelden müsste – bequem über unsere Website kaufen. Drittens verkaufen wir sehr liebevoll handgenähte Codekarten bei unseren Veranstaltungen und in ausgewählten Buchläden, mit denen man dann auf unserer Webseite Texte runterziehen kann.
Nikola Richter: Man muss viel Aufklärungsarbeit betreiben, denn es herrschen noch viele Vorurteile: Ich weise immer wieder darauf hin, dass es auch anspruchsvolle eBooks gibt und dass eBooks nicht per se schlechter sind. Sie sind sogar in vielerlei Hinsicht praktischer, da sie nichts wiegen, günstiger sind, keinen Regalplatz verbrauchen und die Textsuche ermöglichen. Auch social reading-Funktionen etwa über Readmill sind eine Bereicherung. Ich sage immer: It’s about the text not about the book. Ebenso ist für viele auch das eBooklesen noch eine technische Hürde. Auf mikrotext.de gibt es daher eine Seite „Wie lese ich ein Ebook?“ Am liebsten würde ich über die Inhalte sprechen, aber ganz oft geht es vor allem um das Digitale.
Wie wollt ihr im Netz Aufmerksamkeit für eure Bücher bekommen?
Jasper Nicolaisen: Gar nicht mal nur im Netz. Klar nutzen wir soziale Netzwerke, Foren, Plattformen. Und klar machen wir – unter anderem durch Kontakt mit Blogs wie diesem – Werbung. Aber wir meinen auch, dass eBooks in eine Umgebung hineingeboren wurden, in der das Authentische, das sinnlich Erfahrbare ungemein aufgewertet wurde, eben dadurch, dass alles virtuell und jederzeit verfügbar ist. Wir werden uns daher mit unseren Elektrotexten ganz klassisch auch per Lesungen, auf Partys, per Events aller Art bei den Leuten vorstellen. Man wird unsere Autorinnen und Autoren treffen können – und natürlich auch uns. Einfach eine Datei hochladen kann jeder. Über Geschichten auch Gespräche führen können nur echte Menschen und deren Bierfahne muss man riechen können, während man ihren Leib begehrt.
Nikola Richter: Eigentlich die jetzt doch auch schon für Verlage klassischen Wege: Facebook, Twitter, Webseite; ich spreche mit Bloggern. Auf Twitter verschicke ich mit dem Hashtag #mikroreads fast täglich meine Netz-Lektüren. So möchte ich den Bildschirm als Lesemedium unterstützen, den Denk-Kontext von mikrotext transparent machen und gute Lektüren verbreiten. Die es ja in etwas längerer Form und „zum Kaffee-Preis“ (Börsenblatt) auch bei mikrotext gibt.
Zoë Beck: Mittelfristig möchten wir das Vertrauen einer stetig wachsenden Community aufbauen, die unser Verlagsprojekt interessiert betrachten – und möglichst hin und wieder einen Titel kaufen. Wir denken da auch konkret an ein Abosystem und suchen den direkten Kontakt zu unseren Leserinnen und Lesern. Kurzfristig natürlich die uns zur Verfügung stehenden Kanäle. Außerdem haben wir jemanden an Bord für genau diesen Bereich. Ein Austausch mit ernsthaft betriebenen Blogs und Literaturseiten ist uns wichtig. Der wachsende Book-Markt mit seinen vielen Veränderungen ist ein spannendes Feld, und wir freuen uns, schon recht früh dabei sein zu können.
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