Für ein einzelnes Buch ist es heute schwer geworden, in der Masse der Neuerscheinungen überhaupt noch wahrgenommen zu werden. Marketingbudget gibt es oft nur für wenige Spitzentitel, der Kampf um Aufmerksamkeit ist teuer. Gleichzeitig bieten die sozialen Netzwerke den Verlagen neue Möglichkeiten, Fans zu gewinnen und treue Leser an sich zu binden.
Der Rowohlt Verlag hat für seinen Roman „Die tausend Herbste des Jacob de Zoet“ von David Mitchell 2012 einen Blog eingerichtet, auf dem die verschiedenen Abteilungen ihren Anteil an der Entstehung des Buches beschreiben. Die Lektorin veranschaulicht exemplarisch, wie ihre Arbeit an dem Manuskript konkret ausgesehen hat. Sie wird jedoch nicht einmal namentlich genannt. Das überrascht, denn der Trend geht in eine andere Richtung: Heute nutzen Verlage vermehrt ihre Mitarbeiter, um ihrer Verlagsmarke einen persönlichen Anstrich zu verleihen.
Diese Aufgabe übernehmen beim Rowohlt Verlag die Programmleiter. Christiane Steen empfiehlt zum bundesweiten Vorlesetag auf Facebook einen Titel der neuen Kinderbuchreihe „Geronimo Stilton“. Marcus Gärtner kommt sogar auf das Cover des Leseexemplars von “Ein seltsamer Ort zum Sterben”. Auf dem Umschlag ist ein Foto abgebildet, auf dem er das Buch in die Kamera hält. Die persönliche Empfehlung soll das Buch aus der Masse der Neuerscheinungen herausheben.
Lektoren bekommen im Zeitalter von Social Media ein Gesicht
Auch in den neuen Vorschauen tauchen vermehrt persönliche Empfehlungen aus dem Lektorat auf, beispielsweise bei cbj. Über dem Lesetipp von Birte Hecker ist ein Porträtfoto der Lektorin abgebildet. Ein Trend, der sich auch bei Tageszeitungen wie der Süddeutschen beobachten lässt. Zu jedem Redakteur gibt es eine Kurzinfo. In der Blogger-Welt längst eine Selbstverständlichkeit.
Besonders selbstbewusst präsentiert sich das Kinderbuch-Team im Editorial der Herder-Frühjahrsvorschau. Die Porträts der Programm- und Marketingleiterin sowie dreier Lektorinnen sind verspielt gerahmt und schwungvoll unterschrieben. Stolz präsentieren die fünf Frauen ihre Arbeit: das neue Kinderbuch-Programm, das in einer liebevoll gestalteten Vorschau dem Betrachter präsentiert wird.
Ein anderer Verlag hat den YouTube-Kanal als geeignetes Medium für sich entdeckt. Michael Krüger, Verleger bei Hanser, referiert in der Reihe „Michael Krüger spricht“ über verschiedene Themen rund um Literatur und Verlag. Die „charismatische Persönlichkeit“ von Michael Krüger wird imagefördernd für die Marke Hanser eingesetzt. „Wichtigstes Kriterium ist die Authentizität. Uns geht es nicht darum, Hochglanz-Imagefilme zu produzieren“, betonen die Macher. Für diese Marketing-Strategie hat der Hanser Verlag 2012 den Virenschleuderpreis gewonnen.
Menschen wollen persönliche Geschichten
Mehr Hochglanz ist dagegen bei Bastei Lübbe. Auch hier hat man erkannt, dass Menschen persönliche Geschichten wollen. „pages“ heißt das neue Buchhandelsmagazin, in dem es auch eine Rubrik „Mitarbeiter & ihre Hobbys“ gibt. Auf einer farbigen Doppelseite posieren Marc Sieper, Leiter Lübbe audio, und Olaf Reinwald, Produktioner, als Mitglieder der Band „CAIN. Auf einer zweiten doppelseitigen Fotografie taucht eine Frau. Kirsten Kuhn, Controllerin bei Lübbe, hegt eine Leidenschaft für die Unterwasserwelt. Ein persönliches Zitat ist jeweils als Blickfänger gestaltet. Im Einklinker dann der Buchtipp. Wie in einem Lifestyle-Magazin sind die Mitarbeiter in Szene gesetzt.
Der Hanser-Verleger und die Programmleiter des Rowohlt Verlags gewähren uns einen scheinbar unverstellten Einblick in ihre Arbeit und wirken dadurch nahbar und authentisch. Vor dem typischen Bücherregal aufgenommen, entsprechen sie unseren Erwartungen und unserem Bedürfnis nach Authentizität. Die ästhetisch aufgeladenen Fotografien im Magazin „pages“ verfolgen hingegen eine andere Strategie. Sie lassen die Mitarbeiter entrückt und unnahbar wirken, inszenieren sie als Stars einer Lifestyle-Welt.
Letztlich ist es jedoch zweitrangig, ob der Verlag seine Mitarbeiter vor der klassischen Bücherwand oder in stylischem Hochglanz präsentiert. Wichtig ist, dass das Konzept zum Kern der Marke passt. Nicht zuletzt zeigen diese Beispiele, dass die Lektoren, die seit jeher viel Herzblut in ihre Bücher stecken, diese heute ein Stück weit selbst in die Welt hinaustragen können. Indem sie eine persönliche Empfehlung aussprechen – und damit ein Stück weit selbst zur Marke werden.
5 Kommentare