Die Blogparade #femaleheritage“ der Münchner Stadtbücherei versammelt vergessene Autorinnen, Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen. Perfekte Inspiration für alle, die eine U-Bahn-Station umbennen oder eine neue Schule bauen wollen.
Bei uns in Preetz gibt es ein Friedrich-Schiller-Gymnasium, eine Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule, eine Friedrich-Ebert-Grundschule und eine Herman-Ehlers-Grundschule. Bildung scheint hier nur männliche Vorbilder zu kennen. Dabei gibt es in Preetz auch einen namenlosen AWO Bildungscampus. Die Arbeiterwohlfahrt, die heute jeder als AWO kennt, wurde am 13. Dezember 1919 von einer Frau gegründet. Marie Juchacz hat nicht nur die AWO gegründet, sondern auch für das Frauenwahlrecht gestritten, das 1918 eingeführt wurde. Sie hielt als erste Frau in einem deutschen Parlament eine Rede.
Marie Juchacz, die unbekannte Oma der Demokratie
Die taz nennt Marie Juchacz die „Uroma der Demokratie“ und konstatiert: „Heute ist Marie Juchacz erstaunlich unbekannt.“ Das verwundert nicht, wenn nicht nur in Preetz, sondern auch in anderen Städten die Schulen nur nach männlichen Denkern oder Politikern benannt werden. Aufmerksam wurde ich das erste Mal auf Marie Juchacz in der Gustav-Heinemann-Bildungsstätte in Bad Malente. Die Bildungsstätte trägt zwar nicht ihren Namen. Aber immerhin hat Marie Juchacz es dort in eine Reihe von Schwarzweiß-Porträts geschafft – eine etwas verstaubte Wall of Fame der Sozialdemokratie – größtenteils Männer.
150 Blogartikel zu faszinierenden Frauen
Die Münchner Stadtbibliothek/Monacensia hat zur Blogparade „Frauen und Erinnerungskultur“ aufgerufen. Ihr Ziel ist es „über die Präsenz von Frauen und ihre Leistungen und Lebensentwürfe im kollektiven Gedächtnis in den Austausch zu gehen und sie darüber hinaus in das kulturelle Gedächtnis einzuschreiben“. Über 150 Blogartikel zu faszinierenden Frauen wurden bereits veröffentlicht. Sie bieten reichlich Inspirationen für alle Bürgermeister:innen und Stadträt:innen, die auf der Suche sind nach einem neuen Straßennamen, die eine U-Bahn-Station umbennen oder eine neue Schule bauen wollen. Die Sozialdemokratin Marie Juchacz ist dabei nur eine von vielen Frauen, die wir in die Kulturgeschichten der Städte zurückschreiben sollten.
Kleiner Exkurs: In den deutschen Parlamenten gibt es 2020 immer noch keine Parität
Am 19. Februar 1919 hielt Marie Juchacz als erste Frau eine Rede in einem deutschen Parlament. Zusammen mit 36 weiteren Frauen gehört die damals 40-jährige Sozialreformerin und Frauenrechtlerin zu den ersten weiblichen Abgeordneten in Deutschland. Über 100 Jahre später gibt es in den deutschen Parlamenten immer noch keine Parität. Nach Klagen von AFD und NPD hat das Brandenburger Verfassungsgericht im Oktober 2020 das Paritätsgesetz zu den Kandidatenlisten der Parteien für Landtagswahlen gekippt.
Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, hat diese himmelschreiende Ungleichberechtigung in einem Gespräch mit der Aufsichtsrätin Simone Menne über die Quote mit einem eindrücklichen Beispiel illustriert: Es wird als selbstverständlich angesehen, dass alle 27 Mitgliedstaaten der EU gleichberechtigt in der Europäischen Kommission vertreten sind. Es wird jedoch nicht als selbstverständlich angesehen, dass Männer und Frauen gleichberechtigt in der Exekutive vertreten sind. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, hat im November 2020 die verbindliche Frauenquote in Vorständen (In Vorständen börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss demnach künftig ein Mitglied eine Frau sein) als historischen Durchbruch verkündet – von Parität ist diese Quote allerdings noch weit entfernt.
Geschlechtergerechtigkeit in Kultur und Medien
Und wie sieht es mit Parität im Kultur- und Medienbetrieb aus? Der aktuelle Status Quo und geeignete Maßnahmen, wie Geschlechtergerechtigkeit im Kultur- und Medienbetrieb langfristig hergestellt werden kann, waren am 8. Dezember 2020 die Themen der digitalen Konferenz des Deutschen Kulturrats (im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft) „Geschlechtergerechtigkeit in Kultur & Medien Europas“. Die Videos der Vorträge sind auf der Web-Plattform zur Konferenz weiterhin abrufbar.
Hier geht es zur Blogparade der Münchner Stadtbücherei, der Monacensia als literarisches Gedächtnis Münchens: Frauen und Erinnerungskultur | #femaleheritage“
Collage: Bild von Marie Juchacz und Reichtagskuppel (Foto: Francesco Luca Labianca /Unsplash)