Ingress ist mein Yoga – It’s time to move!

ingress3

„The World is the Game.“ Ingress wird weltweit gespielt.

Seit ein paar Wochen bin ich viel an der frischen Luft, habe unbekannte Stadtviertel erkundet und mehr Kilometer zu Fuß zurückgelegt als sonst. Der Grund: Ich bin im Ingress-Fieber. Ingress ist ein ortsbasiertes Alternate Reality Game, das weltweit auf Smartphones gespielt wird. Das ARG der Google Tochter Niantic Labs verknüpft eine Science-Fiction-Geschichte mit realen Orten. Die Story in Kürze: Die Welt ist in Gefahr. Zwei Fraktionen, die grüne Enlightened und die blaue Resistance, kämpfen um die Vorherrschaft.

“A mysterious energy has been unearthed by a team of scientists in Europe. The origin and purpose of this force is unknown, but some researchers believe it is influencing the way we think. We must control it or it will control us.“

Screenshot_2013-02-24-14-59-03

Screenshot der App: drei blaue Portale rund um den Feuersee in Stuttgart

Nach Installation der App, der Wahl einer Fraktion und einem kurzen Tutorial geht es los. Ich muss das Haus verlassen, um Portale hacken zu können. Diese sogenannten Portale befinden sich an Orten, an denen besonders viele Menschen mit Smartphones unterwegs sind, und werden auf einer Google-Map in der App angezeigt. In der realen Welt befinden sich dort meistens historische Gebäude oder Kunstwerke. Im November 2012 startete die Betaphase des Spiels mit wenigen Portalen. Seitdem wächst die Anzahl stetig, denn jeder Spieler kann neue Portale vorschlagen. Dazu reicht es, ein Bild des Monuments mit dem Handy aufzunehmen und als Vorschlag an Google zu schicken.

Wenn die Portale zur gegnerischen Mannschaft gehören, kann ich versuchen, sie zu zerstören, und anschließend für meine Mannschaft zu reklamieren. Dafür gibt es Action Points (AP). Die Aussicht auf ein höheres Level motiviert mich und lässt mich vergessen, dass draußen Sturm und Schneeregen toben. Schluss ist erst, wenn jegliches Gefühl aus meinen Fingern verschwunden ist oder der Akku schlapp macht – was leider immer viel zu rasch der Fall ist. Begeisterten Spielern wird empfohlen, sich einen Zusatzakku und spezielle Handschuhe zuzulegen, mit denen man einen Touchscreen bedienen kann.

Suchtspiel Ingress: sammeln und erobern

Screenshot_2013-02-24-12-12-26

Kunst im öffentlichen Raum neu entdeckt

Nicht nur ich mache Umweg, um an AP zu kommen. „Google belohnt alles, was du tust“ analysiert „Altarok“, ein Spieler der gegnerischen Mannschaft, dem ich in letzter Zeit öfters beim Spielen begegnet bin. Als Entwickler von Spiele-Apps kennt er die Mechanismen eines gelungenen Spiels. Auch ihn lässt Ingress nicht mehr los. Die Computerzeitschrift c‘t titelt auf ihrer aktuellen Ausgabe (6/2013) treffend „Suchtspiel Ingress“ und bescheinigt dem Spiel ein hohes Suchtpotenzial.

Was ich nur bestätigen kann. Denn mittlerweile kenne ich die Position der Kunstwerke im öffentlichen Raum meiner Stadt auswendig – zumindest jene, die auch Ingress-Portale sind. Als Kunsthistorikerin bin ich darüber begeistert. Nichts wird im Alltag mehr übersehen als Denkmäler. Ingress verschafft ihnen neue Aufmerksamkeit. Über ihre Geschichte und Bedeutung erfahre ich bei diesem Spiel leider nichts. Eine Verknüpfung mit Wikipedia oder thematische Aufgaben wären hier großartig und brächten dem Spiel eine stärkere inhaltliche Dimension. Allerdings wäre es dann nicht mehr möglich, dem Spiel so flexibel neue Portale hinzuzufügen wie es derzeit geschieht. Stattdessen gibt es knifflige und ziemlich rätselhafte Medien von Niantic, an deren Auflösung ich bis jetzt gescheitert bin.

Screenshot_2013-02-24-12-16-42

Ein Level-5-Medium – Wer kann mir bei der Auflösung helfen?

Im Fokus von Google steht jedoch nicht nur die Kunst. Wie die c’t schreibt, gibt es in Amerika erste Modellversuche, in denen Filialen von Autoverleihern und Drogeriemärkten als Portale freigeschaltet wurden. Eine interessante Möglichkeit, Einnahmen über ortsbezogenes Marketing zu generieren.

Sozial, kreativ und perfekt für den Einsatz von Google Glass

Ein schöner Effekt bei Ingress ist die Möglichkeit, an Portalen unverhofft auf andere Spieler zu treffen und dann nach Lust und Laune gemeinsam weiterzuziehen. Ingress ist ein soziales Spiel: Ein Level 8-Portal (das derzeit höchste Level) kann beispielsweise nur mit acht Spielern entstehen. Ingress-Spieler erkennt man übrigens an ihrem gesenkten Blick aufs Smartphone, was sehr lustig aussehen kann. Beim Treffen mit anderen Spielern ist es für die Kommunikation dann doch etwas hinderlich. Daher bin ich schon sehr gespannt, welche Impulse die Entwicklung von Google Glass für das Spiel bringen wird. Der gesenkte Blick aufs Smartphone – in der Stadt nicht ganz ungefährlich – könnte durch die Google-Brille ersetzt werden. Perfekte Augmented-Reality.

Ingress-Spieler am Großen Stern

So sieht es aus, wenn man einer Gruppe Level-8-Spieler beim „Farmen“ begegnet

Noch wird Ingress vor allem von Männern gespielt. Das liegt vielleicht am rudimentären Storytelling. Vor allem aber daran, dass es aus einem technikaffinen Entwicklerumfeld stammt und die Codes zunächst nur begrenzt ausgegeben werden, ähnlich wie beim Start von Google+. In diesem sozialen Netzwerk verabreden sich Ingress-Spieler bevorzugt zu gemeinsamen Aktionen. Über den Chat, der direkt in die App integriert ist, kann man außerdem untereinander kommunizieren. Diese soziale und kommunikative Komponente dürfte auch Frauen für Ingress begeistern.

Wer am Ingress-Betatest teilnehmen will, braucht nur ein Android Smartphone und einen Aktivierungscode für die App. Den gibt es hier. Nach Beantragung dauert es ca. 3-4 Wochen, bis man einen Ingress-Code erhält. Schneller geht es, wenn man bei Google, z. B. bei Anne Beuttenmüller, eigene Ingress-Kreationen einreicht. Verblüffend, was die Fans alles backen, basteln und komponieren. Eine tolle Branding-Idee, die äußerst kreative Werke hervorbringt.

ingress-kunst

Nur eine von zahlreichen kreativen Umsetzungen des Ingress-Logos (Mitte)

Eben habe ich gesehen, dass es in der Innenstadt neue Portale gibt. Ich muss dann mal los!

3 Kommentare

  1. Pingback: Schöne Aussichten: Eine Welt voller Verleger | Charlotte Reimann

Kommentare sind geschlossen.