„Das Buch bedeutet Freiheit“, sagte Maurice Gourdault-Montagne, der französische Botschafter, gleich zur Eröffnung. Das Institut français hatte gestern in die Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin eingeladen, um über die Zukunft des Buches und Europas zu sprechen. Verleger, Schriftsteller, Wissenschaftler und Buchhändler brachten ihre Positionen und Forderungen an die Politik vor. Tatsächlich war es weniger eine Diskussion als eine Reihe Statements – wenn auch mit teils klugem und inspirierendem Inhalt. Schade trotzdem, dass das Veranstaltungsformat keine Eigendynamik entwickeln konnte und die Zuhörer weitestgehend außen vor blieben. Ein paar interessante Punkte, die angesprochen wurden, möchte ich im Folgenden herausgreifen.
Kultur braucht Rahmenbedingungen
Buchpreisbindung, reduzierter Mehrwertsteuersatz, reformiertes Urheberrecht – das braucht es nach Meinung von Alexander Skipis, um unsere kulturellen Werte in ein digitales Zeitalter zu transportieren. Die Arbeit der amtierenden Bundesregierung in Sachen Buchhandel und Anti-Piraterie benotete der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins mit einer Fünf, während er die Bemühungen der französische Regierung als vorbildlich lobte. In den Statements vieler weiterer Redner wurde deutlich, dass es nicht nur einer nationalen, sondern einer europäischen Antwort bedarf, um die Vielfalt der europäischen Buchkultur zu erhalten.
Wir machen Bücher, weil wir Bücher machen wollen
Es wurde viel über die unfairen Wettbewerbsvorteile gesprochen, die Amazon & Co genießen, weil sie in Luxemburg geringere Mehrwertsteuersätze bezahlen. Doch damit sei 2015 Schluss, versicherte Kristin Schreiber, die dieses Thema auf EU-Ebene verfolgt. Dann müsse die Mehrwertsteuer im Land des Konsumenten abgeführt werden. Peter Krauss vom Cleff, Geschäftsführer des Rowohlt Verlags, brachte sein Anliegen in aller Kürze auf den Punkt: „Wir machen Bücher, weil wir Bücher machen wollen, während andere Bücher nur als Kundenbindungsinstrument nutzen, um einen Flachbildschirm zu verkaufen.“ Die Monopolisierung, das Geschäftsmodell der großen amerikanischen Internetkonzerne, beschneidet die Freiheit von Autoren und die Diversität des europäischen Buchmarktes. Darin waren sich alle Anwesenden einig. Interessant wäre es gewesen, die Vertreter der Internetunternehmen dazu zu hören, doch diese waren der Einladung des Institut français nicht gefolgt.
Wo kann man das runterladen?
Der Schriftsteller Michael Kleeberg sucht händeringend Lesernachwuchs. Ihn beschäftigt die Tatsache, dass junge Leute in den Buchhandlungen ausbleiben. Auch in öffentlichen Bibliotheken klaffe eine Lücke „zwischen Kinderbuch und Rentenalter“. Mit zwölf Autorenkollegen versucht Kleeberg nun, Buchhandlungen mit Lesungen zu unterstützen. Damit erreicht er jedoch zumeist nur jene Leser, die ohnehin bereits Kunden der Buchhandlung sind. Wo also finden und kaufen junge Leser ihre Bücher? Haben sie einen „persönlichen Blogger, dem sie glauben?“ Leider war kein junger Leser oder Blogger auf dem Podium, um diese Frage zu beantworten. „Wo kann man das runterladen?“ lautet die typische Frage eines Digital Natives, auf die mittlerweile die meisten Verlage eine Antwort haben. Der Aufbau Verlag etwa verlegt alle Neuerscheinungen auch als E-Book.
Die Buchhandlung als Kulturort vor Ort
Julia Claren, Geschäftsführerin bei Dussmann, glaubt an die Buchhandlung als „third place“, neben Zuhause und der Arbeit, wo man auf Menschen, Werte, Bücher treffen kann, die das Leben bereichern. Thomas Macho, Professor für Kulturgeschichte an der HU Berlin, sieht die Zukunft der Buchhandlung in der Themenbuchhandlung, die temporär Bücher zu ausgewählten Themen kuratiert und das Publikum mit Buch-Vernissagen lockt. Beide Ansätze klingen vielversprechend.
Lesen als intimes Moment
Spannend auch das Statement von Schriftsteller Thomas Hettche, der darauf aufmerksam machte, dass Literatur als Versprechen von Freiheit ein kostbarer Rückzugsort ist. Sein Plädoyer, Lesen als intime Beziehung des Lesers (wie auch des Autors) zu seinem Buch zu begreifen, die von außen nicht eingesehen werden kann, stimmt nachdenklich. Nur so sei die Freiheit gegeben, alles zu denken. Ein wichtiges Argument in der aktuellen Transparenzdebatte und im Hinblick auf die heutigen Möglichkeiten, digitales Lesen zu analysieren überwachen.
Die Zukunft des Buches
Digital Natives, Entwickler, Buchblogger, Start-up-Gründer und E-Book-Verlage waren bei der mit „Zukunft des Buches, Zukunft Europas“ überschriebenen Veranstaltung allerdings deutlich unterrepräsentiert oder überhaupt nicht anwesend. Die neuen Möglichkeiten, die Blogs, Twitter & Co für die Freiheit des Denkens und Verlegens eröffnen, wurden demnach auch nicht weiter in den Blick genommen. 22 Männer sprachen auf dem Podium, nur 8 Frauen kamen hier zu Wort. Auch in diesem Punkt stelle ich mir die Zukunft anders vor.
Unter dem Hashtag #ZdBZE lassen sich die Tweets zur Veranstaltung u.a. von Volker Oppmann nachlesen. Die Podiumsbeiträge werden in Kürze auf der Seite des Institut français veröffentlicht.